Reden

Rede anlässlich der offiziellen Gedenkzeremonie zum zweihundertsten Jahrestag der Schlacht von Waterloo

cérémonie protocolaire de commémoration du bicentenaire de la bataille de Waterloo© SPF Chancellerie du Premier Ministre

Sire,

Majestäten,

Eure Eminenz,

Hoheiten,

Verehrte Gäste,

Exzellenzen,

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

Hier geschah es. Vor zwei Jahrhunderten. Vor 200 Jahren an diesem Tag.

Waterloo, Wahnsinn und Größe. Horror und Genie. Tragödie und dann Hoffnung. Und letztlich war dies das unerbittliche Schicksal der Menschheit?

Wir gedenken zunächst den Frauen und Männern, die mutig auf dem Schlachtfeld gestorben sind. Diese Leben und persönlichen Träume wurden plötzlich zerstört.

 

Für die Kriegführenden der damaligen Zeit war Waterloo sowohl eine Niederlage als auch ein Sieg. Für Napoleon ist es das Ende eines grandiosen politischen und militärischen Traums.

Für die Koalitionsstreitkräfte ist es der Sieg gegen die postrevolutionären imperialistischen Ambitionen.

 

Heute können wir dieses historische Ereignis natürlich mit dem Komfort eines gewissen Abstands betrachten. Die Feinde von gestern sind zu den stärksten Verbündeten in Bezug auf Politik, Wirtschaft und Diplomatie geworden.

 

Gleich werden in einem hochgradig symbolischen und zweifelsohne sehr emotionalen Akt die Nachkommen der großen Protagonisten dieses Kampfs einen so wichtigen Handschlag vollziehen.

 

Wir fühlen uns durch die Anwesenheit des Königs der Niederlande, von Fürst Blücher von Wahlstatt, Prinz Napoleon und des Herzogs von Wellington geehrt. Ihre Anwesenheit Seite an Seite und Ihre Geste ist ein unschätzbares Zeichen der Hoffnung, das ganz auf die Zukunft ausgerichtet ist.

 

Sire, Eure Majestät,

 

Ich weiß, es lag Ihnen am Herzen, nicht nur an diesem historischen Gedenken teilzunehmen, sondern Sie wollten sich auch einbringen. Im Namen der Regierung möchte ich Ihnen hiermit aufrichtig danken.

 

 

Ich begrüße auch die Anwesenheit des Großherzogs von Luxemburg und des Herzogs von Kent, der die Königin von England vertritt, sowie der Botschafter von Frankreich und Deutschland. Ihre Anwesenheit ist ein Zeichen der Freundschaft, deren Wert wir zu schätzen wissen.

 

In Wirklichkeit ist dies mehr als ein Kampf, es ist eine Versöhnung, die ich heute feiern möchte.

Waterloo zeigt die Dialektik der Geschichte.

Waterloo veranschaulicht den Prozess, durch den die feindlichen Kräfte in aller Hartnäckigkeit kollidierten und einen tragischen Schock auslösten. Und dieser so gewalttätige Schock wird später eine größere Einheit und eine stärkere Harmonie ermöglichen.

Diese Realität ist das europäische Projekt.

Nach der Tragödie und dem Horror von mehreren dramatischen bewaffneten Konflikten, haben sich Frauen und Männer in gutem Willen dazu entschlossen, aus der Vergangenheit zu lernen. Sie haben sich dazu entschieden, ihre Träume in einem schöneren und größeren Projekt zu vereinen. Dem Aufbau der Europäischen Union, Stein für Stein.

 

Waterloo ist ein entscheidender und ausschlaggebender Moment in der Geschichte unseres Kontinents.

Hier - in Waterloo - war es, wo zum ersten Mal das "Europäische Konzert" triumphierte. Die auf dem Wiener Kongress geknüpften Allianzen haben die längste Friedensperiode - 50 Jahre - ausgelöst, die der Kontinent jemals erlebt hatte.

Die napoleonische Ära ist nicht nur die Auseinandersetzung zwischen den großen Nationalstaaten. Sie ist vielleicht vor allem ein erster Entwurf der europäischen Idee. Und das sowohl aus der napoleonischen Seite als auch auf Seiten der Koalitionstruppen.

 

Eigentlich ist es der imperialistische Traum von Napoleon, aber... ist dieser nicht bereits eine Form des Europäischen Traums?

 

Auf dem Höhepunkt des Reiches war fast der gesamte Kontinent, mit Ausnahme von Großbritannien, bis vor die Tore Russlands napoleonisch. Ein sicheres aber noch nicht demokratisches Europa. Aber zum ersten Mal nahm dieser europäische Raum für einen kurzen Moment Gestalt an.

 

Auf Seiten der Koalitionsstreitkräfte erschien urplötzlich eine größere Realität als die Nation. Eine heilige Allianz zwischen den Großmächten des Kontinents ist wichtig, nicht nur, um gegen eine gemeinsame Bedrohung zu kämpfen, sondern auch, um Frieden, Stabilität und Wohlstand zu gewährleisten.

 

Waterloo ist ein Schlachtfeld. Aber leider war es auch der Vorläufer des totalen Krieges. Ein neues Konzept zu der Zeit, und eines, in dem alle Ressourcen in dem Bemühen, den Feind zu vernichten, zum Einsatz kamen.

 

Es war in Waterloo, wo der Krieg zum Synonym für Zerstörung wurde. In dieser Hinsicht war Waterloo leider eine Generalprobe für die beiden größten weltweiten Konflikte in der Geschichte, die ein Jahrhundert später stattfinden sollten.

 

Vor Kurzem haben wir in Lüttich, Nieuwpoort und Ypern diesen dunklen Seiten unserer Geschichte gedacht. Ich möchte den lokalen und regionalen Regierungen für alle ihre Bemühungen danken.

 

Ich möchte auch allen Akteuren danken, die an der monumentalen Rekonstruktion beteiligt waren, die wir hier heute sehen. Dank ihnen können wir dieses große Ereignis erleben und an die jüngeren Generationen weitergeben.

 

Die Person Napoleon lässt niemanden gleichgültig. Es gibt in der Geschichte der Menschheit niemanden sonst wie Napoleon. Für manche war er ein absoluter Held. Aber für andere war er kaum mehr als ein gnadenloser Kriegsherr.

 

Napoleon war vor allem der Autor eines Epos, mit Europa als Theater. Er ist auch eines der ewigen Symbole der Französischen Größe. Aber Größe hat vielleicht immer auch einen Preis.

 

Zwanzig Jahre vor Waterloo, veröffentlichte der Philosoph Immanuel Kant ein kleines bahnbrechendes Buch: "Zum ewigen Frieden". Er fordert die Schaffung eines "Völkerbundes" in Europa, der an die Tugenden Handel, Austausch und Dialog geknüpft ist.

 

Wie Sie wissen, dauerte es eineinhalb Jahrhunderte bis dieser Traum Wirklichkeit werden sollte. Zuerst durch den Völkerbund, dann durch die Vereinten Nationen und später durch Belgien mit den Niederlanden und dem Großherzogtum Luxemburg, die Vorläufer der späteren Europäischen Union sein werden.

 

Die Völker Europas haben die schmerzhaften Erfahrungen des Imperialismus, des Faschismus und des Totalitarismus gemacht. Die Völker Europas haben daraufhin gemeinsam den Frieden mit einem gemeinsamen Schicksal gewählt.

 

Visionäre Männer wie Jean Monnet, Robert Schuman und Konrad Adenauer haben ihre Intelligenz und ihre Talente dem Aufbau dieses einzigartigen Wunders gewidmet: einem Frieden, der seit fast einem dreiviertel Jahrhundert anhält.

 

Frieden und Stabilität sind wesentliche Voraussetzungen für die Stärkung der Menschenrechte, inspiriert von der Aufklärung und der Französischen Revolution.

 

Frieden und Stabilität sind wesentliche Voraussetzungen, um den Fortschritt der Menschheit zu schmieden. Und sie geben Träumen und Hoffnungen Körper und Herz.

 

Frieden erfordert ewige Wachsamkeit. Die Versuchung, Krieg zu führen ist leider immer noch in der Welt vorhanden. In Libyen, im Irak, in Syrien, in Mali ... aber auch vor den Toren Europas, in der Ukraine, sind Frauen, Männer, Kinder in diesem Moment mit der schrecklichen Realität des Krieges und den damit einhergehenden Schrecken konfrontiert.

 

Wir müssen gegen die Gefahren des Egoismus und des Rückzugs kämpfen.

Wir müssen unermüdlich für Offenheit, Dialog, Verständnis, Toleranz, Respekt und Diplomatie arbeiten.

 

Diese Schlacht von Waterloo fand auf diesem kleinen Gebiet im Zentrum Europas statt. Dieser Ort erschien vielen schnell - und vielleicht undeutlich - als strategisch wichtig. Dieses Gebiet, das Belgien wurde, ist dazu bestimmt eine undurchschaubare und nicht greifbare Verbindung zur Zukunft Europas aufrecht zu erhalten.

 

Brüssel ist der Sitz der europäischen Institutionen und eine Kreuzung für die tägliche Förderung des europäischen Projekts.

 

Von Paul-Henri Spaak über Jean Rey bis Herman Van Rompuy und viele andere, hat Belgien schon oft Staatsmänner hervorgebracht, die ihre Vision und Intelligenz in den Dienst des europäischen Ideals gestellt haben.

 

 

Jedes Schlachtfeld wird mit Blut getränkt. Waterloo ist keine Ausnahme. Aber, wie man so schön sagt: Chaos erzeugt Schönheit. In Waterloo müssen wir der steigenden Bedeutung der Europäischen Gemeinschaft gedenken.


Hier kam zum ersten Mal der Kampfgeist der Menschen zum Stillstand. Hier ging eine turbulente Periode der Geschichte zu Ende. Die Erschaffung friedlicher Machtverhältnisse. Der Beginn eines diplomatischen Netzwerks. Das Erscheinen einer internationalen Ordnung.

 

Nach dem Besuch des Schlachtfelds bekam ich eine klare Vision davon, wie grausam Krieg sein kann. Wie ein Krieg Leben zerstören und Hoffnung auslöschen kann.


So möchte ich hier vor Ihnen allen mehr denn je sagen... wir sollten der Botschaft von Frieden, Harmonie und Eintracht gedenken.

 

Wir gedenken heute der Botschaft von Frieden, Harmonie und Eintracht.


Vielen Dank, dass Sie diesen Tag mit uns teilen.


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