Parlamentarische Fragen

Antworten auf Fragen in der Plenarsitzung zur COVID 19-Krise und zur Herangehensweise der Regierung

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Ich danke Ihnen für Ihre Fragen, die ich augenblicklich beantworten werde.

Wie bei meinen bisherigen Äußerungen in den letzten Wochen danke ich auch dieses Mal zunächst im Namen aller Anwesenden den vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die sich unerlässlich für den Schutz des Lebens einsetzen und unser Land weiterhin funktionsfähig halten.

Ein weiterer Dank gilt all jenen, die sich unter Einhaltung der schwierigen Ausgangsbeschränkungen um das Wohlergehen der Allgemeinheit kümmern.

Darüber hinaus denke ich an die besonders schutzbedürftigen Bürgerinnen und Bürger unter uns, für die diese Zeit eine zusätzliche Herausforderung darstellt.

Ebenso möchte ich im Namen der Regierung und ohne Zweifel auch im Namen dieses Parlaments all jenen meine aufrichtige Anteilnahme aussprechen, die einen Angehörigen verloren und durch die gegenwärtige Lage zusätzliches Leid erfahren haben  .

 

Gemäß dem uns vorliegenden aktuellen Stand wurden 24.983 Personen positiv auf COVID 19 getestet, mit 5590 Krankenhauseinweisungen, von denen 1285 auf der Intensivstation behandelt werden.

Bedauerlicherweise haben wir bisher 2523 bestätigte COVID 19-Tote zu beklagen.

 

Die Zahl der Todesfälle wird bisweilen mit anderen Ländern verglichen, aber in dieser Hinsicht ist Vorsicht walten zu lassen.

Der Hauptgrund hierfür liegt darin, dass bei Vergleichen der Todesfallzahlen die menschliche und psychologische Dimension eines Todesfalls per se unterschlagen wird. Hinter jeder Zahl verbergen sich ein erloschenes Leben und leidende Angehörige.

Zudem ermöglicht die Berichterstattung einzelner Länder nicht immer einen angemessenen Vergleich.

Tatsächlich sehen wir uns nicht alle einer Gesundheitskrise gegenüber, die zur gleichen Zeit das gleiche Ausmaß aufweist.

Außerdem ist zu beachten, dass bestimmte Länder nur in Krankenhäusern aufgetretene Todesfälle erfassen (Todesfälle in Alten- und Pflegeheimen sind ausgeschlossen). Andere wiederum registrieren ausschließlich bestätigte COVID Erkrankungen. Auch gibt es Länder, die nur COVID 19 zuzuschreibende Todesfälle melden und Fälle von Komorbidität ausschließen.

In dieser Hinsicht stellen wir in Belgien größtmögliche Transparenz unter Beweis und melden die Gesamtzahl der Todesfälle, einschließlich der Todesfälle in Altenheimen und der Todesfälle mit COVID 19 Verdacht , sobald uns diese Informationen vorliegen. Patienten mit anderen Vorerkrankungen werden nicht ausgeschlossen.

Dies wirkt sich ohne Frage stark auf die Zahlen aus. Dennoch ist erneut darauf hinzuweisen, dass sich hinter diesen Zahlen erloschene Leben verbergen. Dies sollte meines Erachtens stets bedacht werden.

 

Zu Ihrer Frage der Koordinierung möchte ich Ihnen, Herr Calvo, nochmals darlegen, dass wir nur mit der entsprechenden Koordinierung Erfolg haben können.

Wir wissen, dass Belgien ein in institutioneller Hinsicht besonders komplexes und in verschiedene Zuständigkeitsebenen aufgeteiltes Land ist. Wir können diese Krise nur überwinden, wenn wir über alle Zuständigkeitsebenen hinweg gemeinsam an einem Strang ziehen. Davon bin ich überzeugt.

Diese Koordinierung wird im Alltag in verschiedenen Formaten umgesetzt – wie über interministerielle Zusammenkünfte, Arbeitsgruppen mit Sachverständigen auf Ebene des Föderalstaats und der föderierten Einheiten,  den Konzertierungsausschuss, den um die Ministerpräsidenten erweiterten Nationalen Sicherheitsrat sowie über die zahlreichen Kontakte, die bei konkreten und dringlichen Problemen ad hoc zustande kommen.

Die Regionen und Gemeinschaften hatten jüngst im Rahmen einer Zusammenkunft ebenfalls Gelegenheit, die Frage der Osterferien des Bildungssystems zu erörtern. Selbstverständlich gab es noch andere Sachverhalte. Außerdem können sie stets zusammentreten, um ihre Bemühungen in Bereichen zu koordinieren, für die der Föderalstaat keine Befugnis besitzt.

 

In diesem Sinne machte mich der wallonische Ministerpräsident am Dienstagabend auf die schwierige Lage in Alten- und Pflegeheimen insbesondere in Wallonien aufmerksam.

Die Föderalregierung hat dabei sofort und ohne Zögern reagiert. Und das ist völlig normal.

Demgemäß haben wir gestern konkret erörtert, wie wir das Verteidigungsministerium und die Angehörigen der Streitkräfte einsetzen können, um Altenheime in dieser misslichen Lage umgehend zu unterstützen, bis über die Regionen eine bessere Dauerlösung gefunden wird.

Die Wallonische Region überarbeitet in diesem Augenblick die Liste der dringendsten Erfordernisse.

Ebenso bestehen derzeit Kontakte mit der Flämischen Region und der Region Brüssel, um die Erfordernisse ganzheitlich zu betrachten und unsere verfügbaren Ressourcen bestmöglich aufzuteilen.

Zu diesem Punkt wird morgen ein OCC-Meeting erfolgen.

Zu beachten ist, dass es heute Morgen noch weitere Sitzungen gab, namentlich  interministerielle Konferenzen zum Thema Volksgesundheit. Erörtert wurde die Frage der Beatmung in Altenheimen mit zusätzlicher Unterstützung durch Krankenhäuser. Außerdem möchte ich Ihnen gegenüber betonen, dass es nicht zutrifft, dass Krankenhäuser Beatmungsgeräte von Altenheimen eingefordert haben, zumal die Bereitstellung derartiger Geräte für beide Strukturen unterschiedlichen Prinzipien unterliegt. Hierüber hat mich Ministerin Maggie de Block während der Plenarsitzung informiert.

Wie Sie wissen, bemühen wir uns parallel dazu wie bisher ständig um die Lieferung von medizinischen Geräten. Das gilt auch für die Lieferung von Schutzausrüstung, medizinischem Material und Medikamenten.

 

Was Masken angeht, betone ich nochmals, dass weltweit eine Knappheit besteht und die entsprechenden Versorgungsmärkte extrem angespannt sind.

Sie stellen mir die Frage zum generellen Tragen von Masken, die Gegenstand zahlreicher Debatten in Belgien, aber auch im Ausland ist.

Wie Sie wissen, stützen sich die von uns seit Beginn der Krise verbreiteten Empfehlungen auf den Standpunkt der WHO, an denen sich wiederum die wissenschaftlichen Experten der Risk Management Group bzw. RMG orientieren.

Es trifft zu, dass die WHO diese Woche bekräftigt hat, keine generelle Maskenpflicht zu empfehlen.

Auch in dieser Hinsicht hat die RMG zu diesem Zeitpunkt weder das generelle Tragen von Masken empfohlen noch eine Maskenpflicht angeraten. Selbstverständlich hat die RMG das Tragen von Masken weder verboten noch abgelehnt, so wie ich das aus Ihrer Frage herausgehört habe. Niemand hat das abgelehnt.

Im Übrigen hat der FÖD Volksgesundheit in sozialen Netzwerken eine Online-Anleitung für die eigene Herstellung einer Maske veröffentlicht.

Dessen ungeachtet warnt die RMG vor dem trügerischen Gefühl der vollständigen Sicherheit durch Masken, was besonders dann gilt, wenn die Maske nicht empfehlungsgemäß oder auf falsche Weise verwendet wird.

Darüber hinaus weist die RMG nochmals darauf hin, dass die Ausgangsbeschränkungen sowie die Maßnahmen für räumliche Distanzierung und Hygiene die gegenwärtig wirksamsten Schutzvorkehrungen darstellen.

Selbstverständlich wird die Gesamtheit dieser Empfehlungen fortwährend bewertet.

Doch natürlich ist es – so wie von mir nochmals letzte Woche betont – vollständig legitim und sogar empfehlenswert, dass wir alle unsere und die Gesundheit unserer Mitmenschen  durch räumliche Distanzierung schützen, und zwar, so wie bereits hervorgehoben, durch präventive Maßnahmen und technische Vorkehrungen, die den jeweiligen Umständen bestmöglich Rechnung tragen. Hierfür sind kontinuierliche Informationen hinsichtlich der „best practices“ unerlässlich.

Daher haben wir die Risk Management Group nochmals gebeten, eine spezifische Arbeitsgruppe einzurichten, die sich erneut mit dieser Frage befasst. Diesbezüglich erwarten wir in Kürze eine Reaktion dieser Gruppe.

Selbstverständlich müssen wir die Frage des generellen Tragens von Masken in die Ausstiegsstrategie integrieren, die derzeit von der Expertengruppe für die Exit Strategy erarbeitet wird.

Natürlich wird die Bevölkerung unverzüglich informiert, wenn bzw. ob neue wissenschaftliche Empfehlungen auf Landesebene vorliegen.

 

Wie Sie selbst sehen, mobilisieren wir unsere gesamte Energie für die Bewältigung der Krise. Leben zu retten bleibt unsere Priorität. Ebenso haben wir dafür Sorge zu tragen, unsere Zukunft zu sichern.

Daher wurde diesen Montag – wie von mir bereits letzte Woche in der Plenarsitzung angekündigt – offiziell eine 10-köpfige Expertengruppe eingerichtet. Diese soll eine strategische Vision erarbeiten, mit der die Phase der Lockerung der Maßnahmen, die im Rahmen der Bekämpfung des Coronavirus ergriffen wurden, unterlegt werden soll.

Wir wissen, dass eine Rückkehr zur Normalität nur schrittweise möglich ist.

Die Expertengruppe für die Exit Strategy wird Analysen und Empfehlungen bereitstellen, die uns bei den zu treffenden Entscheidungen als Richtschnur dienen sollen.

Die Expertengruppe setzt sich mehrheitlich aus Personen aus dem Bereich der medizinischen Versorgung zusammen. Dies wird einen Anhaltspunkt für die von diesen zu leistende Arbeit liefern. Bei ihren Bemühungen werden sie von Menschen aus dem sozialen, institutionellen und ökonomischen Bereich unterstützt.

Ich betone hierbei ausdrücklich, dass es sich dabei um keine Gruppe von Politikern oder Persönlichkeiten handelt, die besondere Gruppen oder Sektoren vertreten sollen.

Alle Mitglieder bringen ihr Wissen in bestimmten Bereichen sowie ganz sicher ihre Erfahrung, aber auch ihr Einfühlungsvermögen ein. Allen ist das Bestreben gemein, zusammen die schwierige Frage der schrittweisen Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen zu erörtern. Dabei finden alle Aspekte Berücksichtigung, während der Mensch im Mittelpunkt aller Überlegungen steht.

 (Der Expertengruppe steht es völlig frei, eigene Standpunkte zu verabschieden sowie Sachverständige für die verschiedensten Lebensbereiche oder einschlägige Akteure aller Sektoren hinzuzuziehen, um ihren Reflexionsprozess zu erweitern.)

Die erste Sitzung der Expertengruppe hat stattgefunden. Künftig wird die Gruppe an jedem Wochentag zusammentreten. Ein erster Bericht wird diesen Dienstag erwartet.

In jedem Fall gilt, dass die endgültigen Entscheidungen wie bislang erst innerhalb des Nationalen Sicherheitsrats ergehen; in diesem sind unter anderem die Ministerpräsidenten der Regionen und Gemeinschaften vertreten.

 

Zur Frage der Erholung: Wir haben diese Woche die gemeinsame Präsentation des Föderalen Planungsbüros und der Nationalbank über die Erkenntnisse aus einem bestimmten Szenario zur Kenntnis genommen. Dieses Szenario wurde anhand verschiedener Hypothesen erstellt. Demgemäß handelt es sich hierbei nicht um Prognosen, sondern um ein Szenario. Diese Klarstellung halte ich für wichtig.

In dem Szenario wird für dieses Jahr tatsächlich ein Rückgang des Wachstums um 8% unterstellt. Dies führt zu einem nominalen Defizit von 7,5% des BIP und einer Verschuldung von 115% des BIP im Jahr 2020.

Die sozioökonomischen Rahmenbedingungen nach der Coronavirus-Krise werden weltweit und in Belgien zweifellos für alle schwer zu bewältigen sein.

Und wie bereits von mir betont, wird es eine Welt vor und nach COVID 19 geben. Das gilt für unsere Auslegung der Beziehung zu unseren Mitmenschen, aber auch für die Gestaltung unserer Gesellschaft. Für mich liegt das klar auf der Hand. Die Frage der Erholung bzw. der Entwicklung oder wirtschaftlichen Erneuerung – wie immer man sie nennen mag – genießt im Rahmen dieses Reflexionsprozesses auf belgischer und europäischer, aber auch auf internationaler Ebene einen besonderen Stellenwert. Diese äußerst strategischen Fragen müssen meines Erachtens zumindest auf belgischer Ebene nicht einfach ad hoc, sondern im Rahmen einer Regierung erörtert werden, die in ihrem, aber auch im Kreise des Parlaments über eine uneingeschränkte Mehrheit verfügt, zumal diese Fragen Entscheidungen erfordern, die die grundlegenden Weichen für die Zukunft unseres Landes stellen werden.

 

Ein Wort zu den Fragen mit Blick auf Europa: Es trifft zu, dass diese außergewöhnliche Situation kollektive Bemühungen der Mitgliedstaaten und der verschiedenen europäischen Institutionen erfordert.

Wir wissen, dass auf europäischer Ebene ebenfalls eine dreigleisige Strategie gefahren wird.

Und natürlich gibt es den Europäischen Green Deal. Wir wissen, dass dieser  stets als Chance und Katalysator für unsere Wirtschaft konzipiert wurde. Dies konnten wir bereits bei zahlreichen Gelegenheiten erörtern.

Doch die dreigleisige Strategie betrifft Folgendes:

  1. Die Unterstützung und Refinanzierung der nationalen Systeme für vorübergehende Arbeitslosigkeit und Teilzeit. Dies ist der SURE-Mechanismus, über den ein System von Krediten von 100 Milliarden Euro bereitgestellt wird.
  2. Ebenso bestehen über die Europäische Investitionsbank Garantien von 200 Milliarden Euro für Unternehmen und insbesondere KMU.
  3. Und nicht zu vergessen ist der Europäische Stabilitätsmechanismus bzw. ESM. Der ESM ist mit einem gewaltigen Finanzrahmen von 400 Milliarden Euro ausgestattet.

Die Eurogruppe tritt heute Abend erneut zusammen, auch wenn hinsichtlich der Bedingungen für die Inanspruchnahme des ESM bereits Fortschritte erzielt wurden. Bedauerlicherweise verbleiben noch einige Stolpersteine.

Und doch wissen wir, dass wir Europa insgesamt unterstützen, wenn wir einem schutzbedürftigen europäischen Land helfen. Davon sind wir in dieser Phase überzeugt.

Angesichts der Schwere der Krise ist es in der Tat höchste Zeit, zu einer Einigung zu gelangen.

 

Vielen Dank!

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